Traurige Opferrolle

Ich bin nur das Opfer, ich kann nichts dafür.
Der Täter steht ständig nur vor meiner Tür.
Ich lass ihn herein, er ist mein Gast,
weil das so schön in mein Leben passt.
Egal, was er tut oder wie er verletzt,
egal, wie sehr er mich durch mein Leben hetzt,
Schuld hat nur einer, das ist ja wohl klar.
Nur vom Täter droht mir alle Gefahr.

Doch so einfach ist das Leben leider nicht.
Es ruft mich immer wieder in die Pflicht.
Ich bin schon längst ein Täter an mir selbst,
weil mein Leben keine Eigenverantwortung kennt.
Es spielt keine Rolle, was der andere tut.
Zum Leben fehlt mir ganz einfach der Mut.
Es ist leichter, anderen die Schuld zu geben,
als endlich mit Rückgrat mein Leben zu leben.

So gewinnt er immer wieder die Macht über mich
und grinst mir teuflisch in mein trauriges Gesicht.
Dennoch ist er immer wieder wie Brücke für mich,
doch ich stell mich dieser Herausforderung nicht.
Stattdessen hallen seine Worte lange nach in mir,
und er allein ist Schuld, ich kann gar nichts dafür.
So hab ich mich selbst im Opfersein verloren.
Dabei wurde ich nicht einmal richtig geboren.

© Cornelia G. Becker

Es bleibt immer, überall und in jeder Situation unsere ganz persönliche Entscheidung, ob wir uns als Opfer fühlen wollen und die Verantwortung abgeben wollen.
Wir könnten es auch anders sehen, die Verantwortung übernehmen und uns mutig den Herausforderungen stellen.
Und es gibt täglich Situationen - manchmal sehr banale - in denen wir uns wie Opfer fühlen und es vielleicht gar nicht sind.
Das Leben will uns nicht blockieren. Es will uns zu uns selbst bringen... immer und immer wieder.

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